Landesumweltminister Remmel: „Die Zeit rennt uns davon“ Podiumsgespräch zur Klima- und Energiepolitik im Rathaus Siegen

Eine Woche vor der Weltklimakonferenz in Cancun (Mexico) hatte der Evangelische Kirchenkreis Siegen zu einem Podiumsgespräch am 18. November ins Rathaus Siegen eingeladen. Landesumweltminister Johannes Remmel und die Klimaexpertin Katja Breyer vom Amt für Mission, Ökumene und Weltverantwortung der westfälischen Landeskirche erläuterten ihre Sicht von Klimagerechtigkeit. Dabei ging es auch um die Frage, welchen Beitrag Deutschland und dabei besonders NRW als Energieland Nr. 1 in Deutschland leisten muss, um internationalen Klimaschutz zu ermöglichen. Das Gespräch leitete Beate Heßler.

Klimagerechtigkeit bedeutet für den Minister, denen Recht zu schaffen, die in ihren Menschenrechten – dem Recht auf Leben, auf Sicherheit, auf Freiheit, auf Arbeit, auf Nahrung –  bedroht und beschnitten sind. Dass Klimagerechtigkeit international zu werten ist, wurde an den Katastrophenbeispielen aus Pakistan, Tansania oder Russland während des Gesprächs deutlich.

Es geht dem Minister um die Schaffung von ökologischen Bedingungen, unter denen menschenwürdiges Leben möglich ist und zwar nicht nur heute, sondern auch für die geborenen und noch nicht geborenen Kinder dieser Welt. Remmel: „Wir herrschen heute schon über künftige Menschen. Es geht um einen Imperialismus in die Zukunft.“ Und: „Alle Verantwortungsträger dieser Welt wissen um den klimapolitischen Abgrund, vor dem wir stehen.“
Der Landesumweltminister hat nur geringe Hoffnung, dass es gelingt, allein durch Weltklimakonferenzen die gesteckten Ziele zu erreichen und die Klimaerwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Es müssten neue Strategien gefunden werden, um ein weltweites Klimasystem mit allen Staaten einschließlich eines  Immissionshandels zu schaffen.

„Die Zeit läuft uns davon.“

Landesumweltminister Johannes Remmel

Die Top-down-Strategie, oben zu beschließen und die Beschlüsse nach unten durchzusetzen, funktioniere nicht. Vielmehr müssten in einer Art Bottom-up-Strategie Gruppen und Staaten vorbildhaft vorangehen.

Ein Ziel ist es, dass im Jahr 2050 jede Person nur noch 2-3 Tonnen CO2 pro Jahr produziert. Derzeit sind es in NRW 16 Tonnen und in Deutschland 9-10 Tonnen. Das macht die Stellung des Industrielandes Nordrhein-Westfalen deutlich, in dem beispielsweise 30% des deutschen Stroms produziert wird. Daher werde, so der Minister, in 2011 ein Klimaschutzgesetz beschlossen werden, das in NRW vorsieht, bis 2025 45 % und bis 2050 80-95% der Treibhausgase einzusparen, gemessen am heutigen Stand. Die Landesregierung will mit gutem Beispiel vorangehen und eine CO2-neutrale Landesverwaltung erreichen. Es reiche nicht aus, so Remmel, nur Ziele zu formulieren. Es müssten auch Prozesse und Maßnahmepläne beschrieben werden. Hierzu sei eine breite Begleitung durch Wissenschaft und Forschung aber auch eine breite gesellschaftliche Diskussion erforderlich. Das Dialog- und Prozessverfahren in NRW werde 2011 beginnen. Vorgesehen sei, die Windenergie und Biogasanlagen zu stärken sowie Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zu fördern. Auch die Gebäudesanierung habe noch einen hohen Nachholbedarf. 

Nicht zukunftsweisend ist für den Umweltminister die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Die, so hofft er, könne mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht verhindert werden. Er begrüßt die eindeutige Stellungnahme der EKD, die eine Verlängerung der Laufzeit für Atomkraftwerke ablehne.
Nicht nur, dass es bislang keine Lösung für den Atommüll und auch kein Endlager gäbe. Die Laufzeitverlängerung hindere das Entwickeln neuer flexibler Stromerzeugung zur Unterstützung der erneuerbaren Energien. Im Jahre 2020, so prognostiziere der Bundesumweltminister, würden 38,6% Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen. Dann, so Remmel, gibt es Tage, da fließt nur erneuerbare Energie im Netz. Bis dahin müsse eine Struktur der Energieversorgung vorhanden sein, die es leisten könne, den jeweils fehlenden Strom flexibel zuzuliefern. In eine solche Struktur passten weder Atomkraftwerke noch Kohlekraftwerke. Dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, neue Speichertechnologien und eine andere Leitungsstruktur seien dazu erforderlich. Dies zu schaffen verhindere aber eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke, die permanent am Netz sein müssten. 

Diplom Forstingenieurin Katja Breyer zeigte auf, welche verheerenden internationalen Folgen der Klimawandel beispielsweise in Pakistan verursacht hat. Dort ist durch das Hochwasser eine komplette Baumwollernte vernichtet worden. Klimawandel verschärft so die Armut.  Der Klimawandel treffe besonders die Menschen, die ihn nicht verursacht hätten. Die Folgen seien in den kommenden Jahren aber auch bei uns zu spüren, beispielsweise durch steigende Baumwollpreise. Klimaschutz, so Breyer, benötige auch einen gerechten Welthandel. 
Für die Klimaexpertin der westfälischen Landeskirche ist Nordrhein-Westfalen das Schlüsselland für Klimaschutz in Deutschland. Die westfälische Landeskirche sei bereit, die notwendigen Maßnahmen zu begleiten und auch selbst Verantwortung zu übernehmen. So sei beispielsweise vor drei Jahren eine Klimaallianz aus Umweltverbänden, Entwicklungsdiensten, Kirchen und Gewerkschaften gegründet worden, um auf Bundesebene zivilgesellschaftlichen Druck ausüben zu können. Sowohl die EKD als auch die EKvW hätten sich gegen eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ausgesprochen. Sie verweist auf das kirchliche Umweltmanagementsystem „Der grüne Hahn“, auf das sich immer mehr Kirchengemeinden und Kirchenkreise einlassen. 

„Mit einem Weiter so, nur ein bisschen anders, ist es nicht getan. Biosprit im Auto löst nicht das Problem. Nötig ist eine Abkehr von der Leitkultur der Verschwendung.“

Klimaexpertin Katja Breyer

Nach den beiden Vorträgen schloss sich noch eine kurze Fragerunde an, die von der Gesprächsleiterin Pfarrerin Beate Haßler beendet werden musste. Die Zeit rannte davon.

Um richtige Strategien, Prozesse, erneuerbare Energie und die Verantwortung für noch nicht geborene Menschen ging es beim Podiumsgespräch im Rathaus Siegen. Im Bild von links: Landesumweltminister Johannes Remmel, Vorsitzende des kreiskirchlichen Ausschusses zur Bewahrung der Schöpfung Pfarrerin Marianne Mengel-Keßler, Pfarrerin Beate Heßler, Pfarrer Matthias Elsermann und Klimaexpertin Katja Breyer.

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